Kapitel 2: Berufliche Unsicherheiten und Orientierungslosigkeit nach der Wende
Nachdem 1990 die Wende vollzogen wurde, konnten wir fünf Jahre später wenig blühende Landschaften sehen, und irgendwie war die Zukunft relativ trostlos. Es gab kaum Betriebe, und das Arbeitsamt oder die Berufsberatung gaben mir aufgrund meines Werdegangs und Schulzeugnisses genau die gleichen sinnlosen Jobvorschläge wie heute: Kfz-Mechaniker, Tierpfleger oder Maurer. Ich fahre gern schnelle Autos, aber sonst interessiert mich nichts daran. Ich mag sehr gerne Tiere, aber den ganzen Tag Scheiße fegen war auch nichts für mich, und Maurer draußen in der Kälte konnte ich mir ebenfalls nicht vorstellen.
So wie auch heute viele 14- bis 18-Jährige war ich damals ebenso unwissend und unsicher, was meine Zukunft angeht. Die Problematik liegt meines Erachtens grundsätzlich darin, dass die Lehrer in gewisser Weise zwar positive Eigenschaften ihrer Schüler kennen und auch formulieren können, es aber allen sehr schwerfällt, eine Überleitung dieser positiven Eigenschaften in eine berufliche Welt oder Zukunft herzustellen. Warum sind wir nicht in der Lage, die Fantasie unserer Kinder so anzuregen, dass wir ihnen eine Richtung zeigen können, ohne sie in eine vorgefertigte Job Description zu packen?
Warum bekommen meine Söhne 30 Jahre später genau die gleichen Job-Empfehlungen vom Jobcenter wie ich damals? Warum sitze ich im Jahr 2025 bei der Jobvermittlung der Bundesagentur für Arbeit und frage nach Berufsbezeichnungen im Bereich der KI/AI, welche aktuell gebräuchlich oder relevant sind, und bekomme die Antwort: 'Das wissen wir noch nicht. Diese Berufe müssen erst bei uns im System angelegt werden.' Und sowieso: 'Solche Stellenangebote erhalten wir kaum.' Ganz im Ernst?
Milliarden von Euro an Arbeitslosengeld oder Beiträgen von meinem Bruttogehalt fließen jedes Jahr durch diese Institution, und keiner kriegt es auf die Reihe, die neuen Jobs dort zu hinterlegen. Es gibt niemanden bei der Bundesagentur für Arbeit, der sich darum kümmert, Stellenangebote aktiv online zu bekommen – quasi eine Art Akquise zu betreiben. Warum existiert keine Konkurrenz zu Plattformen wie Indeed oder Monster? Warum haben wir keine moderne, innovative Plattform, die Schülern und Arbeitssuchenden gleichermaßen Orientierung bietet?
Erst kürzlich habe ich den Nachrichten entnommen, dass Deutschland weiterhin an dritter Stelle der wirtschaftsstärksten Nationen steht – und dies mit nur 1 % der Weltbevölkerung. Also scheint ja grundsätzlich alles in Ordnung, und man kann sich wirklich zufrieden zurücklehnen. Oder was denkst du? Wenn ich über diese Bereiche nachdenke, das Erlebte wahrnehme und reflektiere, spüre ich immer wieder den Antrieb, eine Bewerbung loszuschicken und mich genau für diese Schlüsselposition zu bewerben. Etwas Neues zu erschaffen, auf etwas Altem aufzubauen, es als Grundlage zu festigen und mit Neuem zukunftsfähig aufzustellen.
Sind es die richtigen Personen, die dort fehlen? Manager aus der Wirtschaft, die vielleicht 50.000 Euro mehr verdienen und Innovationen vorantreiben könnten? Oder sind es verkrustete Strukturen, die eine Weiterentwicklung verhindern oder massiv verlangsamen? Ich habe leider sehr wenig politisches Interesse und kann darauf keine klare Antwort geben. Ich weiß nicht, wie die Bundesagentur für Arbeit in die Politik eingebunden ist und welchen Einfluss die einzelnen Parteien haben, die nur für ein paar Jahre das Sagen haben und dann von einer anderen Partei mit anderen Themen abgelöst werden.